Matthew Costello „Mydworth – Bei Ankunft Mord“

Nach Jahren im Ausland hatte sich Lord Mortimer die Heimkehr nach England so schön vorgestellt. Frisch angetraut mit der Amerikanerin Kat Reilly wollte er gemütlich über die Straßen Südengland zu seinem Heimatsitz fahren, ihr die wundervolle Landschaft zeigen und bei einem gemütlichen Abendessen den ersten Tag in England ruhig ausklingen lassen. Die Jahre beim Geheimdienst sind vorbei und die beiden haben ein wenig Ruhe und Zweisamkeit verdient. Doch schon als das Schiff aus Frankreich anlegt, steht ein Wagen bereit, welcher Lord Mortimer abholen und zum Außenministerium bringen soll. Eine dringende Staatsangelegenheit.
Und Kat? Sie macht sich allein auf den Weg nach Mydworth, zu diesem Zeitpunkt noch unwissend, dass die Aufregung in ihrem Leben noch längst nicht vorbei ist, denn als sie aus der Not heraus zu Lord Mortimers Tante geht, wird auf sie geschossen…
„Bei Ankunft Mord“ ist der Auftakt zu einer Serie von Kurzkrimis. Angesiedelt in den 1920er Jahren in England sind die Kurzkrimis mit knapp 200 Seiten ein perfektes Lesevergnügen für zwischendurch. Die Fälle, die alle in und um Mydworth spielen, sind geprägt durch ein geringes Gewaltpotential. Sicherlich geht es um Mord oder auch Diebstahl, aber im Vordergrund steht das Landleben und die gesellschaftlichen Beziehungen in Mydworth. Die obsukuren Todesfälle erinnern zeitweilig ein bißchen an die TV-Serie „Inspektor Barnaby“, aber mir gefällt diese Serie gut, da trotz der Morde auch Szenen zum Schmunzeln eingebaut sind. Wer auf der Suche nach einer charmanten Krimiserie ist, sollte sich diese Reihe einmal genauer ansehen.

4 von 5 Landsitzen

Posted in Sonstiges | Leave a comment

„Im Kopf von Sherlock Holmes“

Jeder, der mehr als drei Geschichten mit dem Meisterdetektiv gelesen hat, fragt sich unweigerlich, was wohl in dessen Kopf vorgeht, bevor er seinen Adlatus Watson – und alle anderen – verblüfft. Vor einigen Jahren gab es in der BBC-Serie „Sherlock“ in Form von Einblendungen einen Hinweis, wie Holmes‘ Gehirn funktionieren könnte. Cyril Lieron und Benoit Dahan gehen in ihrer Graphic Novel noch einen Schritt weiter: Das gewohnte, erzählerische Ich von Dr. Watson wird verlassen und – man kann es auch ohne in Holmes‘ Liga zu spielen wohl anhand des Titels erahnen – ein detaillierter Einblick in die Arbeitsweise des Detektivs gestattet.

Klappentext

Alles ist gut in London, und das bedeutet, dass für den größten Detektiv aller Zeiten nichts gut ist – Sherlock Holmes langweilt sich zu Tode. Da erlöst ihn ein Klopfen an der Tür von seiner Qual: Dr. Fowler, ein Kollege Watsons, steht dort in Begleitung eines Officers, der ihn in der Nacht zuvor aufgegriffen hat, als Fowler, gekleidet in ein Nachthemd und mit einem Damenslipper an den Füßen, vollkommen verwirrt im East End umherirrte. Fowler kann sich an nichts erinnern, und Scotland Yard ist ratlos. Einzig ein seltsames Ticket für eine Theateraufführung am Vorabend, das sich bei Fowler anfindet, bietet einen Ansatzpunkt für die Ermittlungen…

Rezension

Es gibt diese seltenen Werke, an denen einfach alles stimmt. „Das Rätsel der skandalösen Eintrittskarte“ ist ein kniffliger, mitreißender Rätsel-Krimi, der zunächst recht unspektakulär beginnt, jedoch in seinem Verlauf größere Dimensionen annimmt. Trotz des Umstandes, Holmes‘ Schlussfolgerungen bildlich vor sich zu haben, ist der Meisterdetektiv dann aber doch schon einen Schritt voraus. Zum Schluss gibt es auch noch eine Prise Gesellschaftskritik, die verstehen lassen, warum Holmes nach getaner Arbeit wieder eine Lösung anmischt.

„Im Kopf von Sherlock Holmes“ hätte mit dieser spannenden Geschichte sicher auch einen guten Roman oder einen erstklassigen Film ergeben, profitiert mit der gewählten Erzählperspektive aber ungemein von dem Medium Comic. Benoit Dahans detailreiche, teils seitenfüllende Zeichnungen – mit angenehmen Sepia als dominanten Grundton der Kolorierung – sind nicht nur eine Freude für die Augen aller Liebhaber der frankobelgischen Comickunst. Sie erlauben den Lesern auch, die Handlung nach eigenem Gusto zu „pausieren“, in der „Dachkammer“ des Meisterdetektivs zu spazieren und sich bei Bedarf gerne jeden einzelnen Schritt der Deduktion nochmals erklären zu lassen.

Zu guter Letzt sei noch lobend erwähnt, dass Umschlag, Papier, Druck, Bindung und Layout dieses Comicalbums auf allerhöchstem Niveau ist. Der Splitter Verlag hat hier einen Schatz geschaffen, bei dem der stolze Preis von 28,00 € absolut gerechtfertigt ist.

Fazit: „Im Kopf von Sherlock Holmes“ ragt aus Flut der Sherlock-Holmes-Pastiches markant heraus und kann allen Liebhabern der neunten Kunst und des klassischen Holmes nur wärmstens empfohlen werden.

Posted in 1 Buch - 2 Rezis, Rezensionen, Sherlock Holmes, Viktorianische Krimis | Leave a comment

Weihnachtskrimis

Alle Jahre wieder… Es wird früher dunkel, die Wohnungen werden geschmückt und bei dem einen oder anderen macht sich eine Scroogesche Stimmung breit. Wenn nicht schon mindestens dreimal „Last Christmas“ gelaufen ist, ist die Vorweihnachtszeit nicht perfekt. Für mich gilt das eher nicht. Was für mich allerdings neben „Eine Weihnachtsgeschichte“ inzwischen zur Vorweihnachtszeit gehört, ist ein guter Weihnachtskrimi.
In den letzten Jahren habe ich mir daher mehrere Weihnachtskrimis gekauft und welche mich nie enttäuscht haben, waren die Krimis aus dem Klett Cotta Verlag. Diese greifen für ihre Weihnachtskrimis Schriftsteller aus der „guten alten Zeit“ heraus und mit einer ansprechenden Cover werden die verschiedenen Autoren zu einer optischen Einheit gebracht. Auch inhaltlich ähneln sich die Geschichten ein wenig. Gerne spielen die Bücher an Weihnachten (aus unlauteren Quellen heißt es, dass es selten so viele Streitereien gibt, wie an den Weihnachtstagen), es handelt sich um ein „Locked room mystery“ und die Schriftsteller schaffen es, mit ihren Heringen die Leser immer wieder auf falsche Fährten zu locken.
Nachdem ich „Geheimnis in weiß“ und „Geheimnis in rot“ schon in den letzten beiden Jahren gelesen habe, widme ich dieses Jahr „Das Geheimnis des Schneemanns“ meine Aufmerksamkeit. Ich bin schon sehr gespannt, ob mir auch dieses Buch wieder so gut gefällt wie die beiden anderen zuvor. Vielleicht gibt es demnächst auch noch ein Rezension dazu, haltet die Augen also offen.

Posted in Buchvorstellungen | Leave a comment

Patrick Hertweck „Der letzte Rabe des Empire“

Als mich meine geschätzte Blog-Partnerin Sarah auf das Buch aufmerksam machte, war ich zunächst wenig angetan. „Noch eine Jack-the-Ripper-Variante?“ Als ob Londons berühmter Serienmörder nicht schon oft genug von Inspektor Abberline (in Buchform oder in filmischer Adaption von Michael Caine, Johnny Depp oder Clive Russell), Sherlock Holmes (in Buchform oder in der Darstellung von John Neville oder Christopher Plummer) und zahlreichen anderen Detektiven gejagt worden wäre. Der Klappentext und der Umstand, dass es sich bei „Der letzte Rabe des Empire“ um einen Abenteuerroman für Jugendliche handelt, weckte dagegen dann doch meine Neugier.

Vorweg genommen, braucht man für Patrick Hertwecks Roman zunächst Durchhaltevermögen, denn der Autor erzählt nicht nur die Geschichte des Waisenjungen Melvin und die Ermittlungsarbeiten von Inspektor Abberline, sondern spannt parallel Erzählfäden mit über einem Dutzend Charaktere. („Game of Thrones“ und andere Streaming-Epen lassen grüßen). Während mir Melvin von Anfang an sehr sympathisch war und die Neugierde wuchs, welche Rolle er wohl in Bezug auf den Ripper spielt, blieb mir der Sinn und Zweck der anderen Handlungsfäden zunächst verschlossen. Ist das erste Drittel jedoch überstanden und das Bild klarer, begeistert der Roman nicht nur durch interessante Charaktere, sondern vor allem durch die eigenwillige Vermengung historischer Begebenheiten – was wohl Jean d’arc mit dem Ripper zu schaffen hat? – und Fantasy.

Ja, richtig gelesen: Fantasy. An dieser Stelle sei dem Verlag vorgeworfen, dass mit der Beschreibung „Historischer Abenteuerroman“ das Buch nicht gerade treffend beworben wird. „Historischer Fantasyroman“ trifft es schon eher, da auch die Krimi-Elemente sich im Wesentlichen auf das Vorhandensein von Inspektor Abberline beschränken, während der Roman ansonsten mehr den Fokus auf das Fantastische legt.

Hertwecks Sprache ist, auch einem jugendlichen Zielpublikum entsprechend, schlicht und elegant. Ein bemerkenswertes Stilmittel ist allerdings die Kapitellänge und das Erzähltempo. Während die einzelnen Kapitel zu Beginn recht lang sind und es eher gemächlich zugeht, steigert sich parallel zur Spannungskurve das Erzähltempo, wie im gleichen Maße die Kapitel kürzer werden. So kurz, dass während des „Showdowns“ stets nach wenigen Absätzen zwischen den einzelnen Erzählsträngen hin- und hergesprungen wird. Das literarische Äquivalent zu einem schnell geschnittenen Hollywood-Blockbuster.

Fazit: Patrick Hertweck hat mit „Der letzte Rabe des Empire“ ein spannendes, fantasievolles und im besten Sinne ungewöhnliches Jugendbuch geschaffen, dass allen Urban-Fantasy-Leser:innen ab 12 Jahren gefallen wird. (Na, Gott sei Dank, sind wir auf ‚Sherlocks Leseblog‘ keine fantasielosen Krimi-Puristen ;))

Posted in Sonstiges | Leave a comment

Patrick Hertweck „Der letzte Rabe des Empire“

London, 1888.
Durch die Straßen von Whitechapel dringt das Krächzten eines Raben, als Jack the Ripper sich über ein weiteres Opfer hermacht…
Halt, stop. Nicht wegklicken.
Ich weiß, über Jack the Ripper hat man schon viel gelesen, aber…
Was wäre, wenn es in einen Buch darum ginge, dass Jack the Ripper nur eine Nebenfigur wäre.
Eine Nebenfigur in einer ganz anderen, viel größeren Geschichte?
Glaubt ihr nicht?
Melvin, ein heranwachsender Junge von den Straßen Londons, ist in der Nähe, als Jack the Ripper zuschlägt und wird doch von ihm verschont. Sollte er es wirklich nur auf Frauen abgesehen haben? Auch wenn Melvin alle Frauen kannte? Melvin und auch sein Freund Wilkie meinen ein Muster in den Morden entdeckt zu haben, als Melvin urplötzlich verschwindet. Sollte der Ripper ihn nun doch geholt haben?
„Der letzte Rabe des Empire“ erzählt auf 473 Seiten eine etwas andere Geschichte über Jack the Ripper, als sie uns aus den Geschichtsbüchern bekannt ist.
Das Buch richtet sich dabei an jüngere Erwachsene, was einem erwachsenen Leser beim Aufbau der Handlung auffällt. Denn auch wenn das Buch nicht in das Genre Thriller fällt, überwiegt in dem Buch durch die kurzen und schnellen Szenenwechsel das spannende Element. Denn nicht nur die Geschichte von Melvin, Wilkie und Jack the Ripper wird erzählt. Es geht auch um Vincent Berengar, Samuel Seymour, Inspector Abberline, Joseph und sein Meister. Viele Handlungsstränge, viele Geschichten und Schicksale werden vor dem Leser ausgebreitet und man kann oftmals das alte, dreckige London zwischen den Zeilen riechen. Ob unten an den Docks, im Unterschlupf von Vincent, in der alten Kirche, in Whitechapel oder oder oder… Jeder Platz führt uns tiefer in das viktorianische London und auch in die Tiefen der Vorstellungskraft, denn was wenn es nicht nur Menschen in London gäbe, sondern auch andere Wesen?
Das Buch erzählt die Ereignisse innerhalb von sieben Tagen, sodass man als Leser an der Dynamik der Ereignisse unmittelbar beteiligt ist und mit den einzelnen Charakteren nach Gerechtigkeit fiebert und mit ihnen leidet. Ein Buch, das ein anderes Licht auf das London jener Zeit wirft, so fantastisch es auch sein mag.

4 von 5 Raben

Posted in 1 Buch - 2 Rezis, Buchvorstellungen, Rezensionen, Viktorianische Krimis | Leave a comment