Andrew Wilson „Agathas Alibi“

Der Dezember 1926 ist keine gute Zeit für Agatha Christie. Der Tod ihrer Mutter belastet sie noch immer, ihr Mann hat ein Affäre und eine heftige Schreibblockade scheint den Höhenflug, der mit ihrem Roman „Alibi“ begann, schnell wieder zu beenden.
In dieser schweren Zeit macht sie Bekanntschaft mit dem mysteriösen Psychiater Dr. Patrick Kurs. Dieser erpresst sie nicht nur damit, kompromittierendes Material über die Affäre ihres Mannes an die Zeitungen zu geben, sondern deutet auch an, ihren Lieben – speziell Tochter Rosalind – gefährlich zu werden. Die Forderung von Kurs: Agatha soll einen Mord begehen …

Das mehrtägige Verschwinden von Agatha Christie, an das sich die Schriftstellerin nach eigener Aussage Zeit ihres Lebens nicht erinnern konnte, ist der große Mythos um die Queen of Crime. Andrew Wilson hat bemerkenswert sorgfältig recherchiert und erzählt in einem fast thrillerartigen, spannenden Kriminalroman, was in diesen Wintertagen im Jahre 1926 passiert sein könnte. Wilson trifft das Bild, das man von Agatha Christie gewinnen kann, sehr gut und spiegelt in seinem gut geschriebenen Roman die Krimi-Rezeptur der Autorin charmant. Und am Ende fragt man sich, ob es nicht exakt so gewesen sein könnte. Ein Wermutstropfen: Die letzte Wendung dürfte Christie-Kenner dann doch nicht überraschen. Dennoch: Klare Leseempfehlung.

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Andrew Wilson „Agathas Alibi“

11 Tage. Verschwunden. Selbst danach bleibt vieles im Dunkeln oder vielleicht auch nicht?
Selten ist das Lebens eines Autoren so spannend wie das von Agatha Christie. Es ranken sich zahlreiche Mythen um die Tage im Jahre 1926, als sie für 11 Tage verschwand.
Was war passiert?
Was war der Grund?
Mit viel Liebe zum Detail und unter Beachtung der bekannten Tatsachen, Mrs Christie selbst sprach nach den 11 Tagen nie mehr darüber, setzt Andrew Wilson das Puzzle Stück für Stück für den Leser zusammen, doch was ist Realität und was ist Fantasie? Denn eins muss man diesem Kriminalroman lassen, er verwischt die Grenzen zwischen Realität und Fantasie nur allzu gut.
Nach einem Streit mit ihrem Mann verschwindet die bekannte Schriftstellerin Agatha Christie für elf Tage von der Bildfläche. Liegt es am Tod ihrer Mutter, liegt es an der Affäre ihres Mannes oder ist der Druck, dass sie mit „Der blaue Express“ ins Stocken gerät? Oder ist es etwas ganz anderes? Etwa eine Erpressung durch eine schlichtweg notorische Person, die sich vermeintlich in einem von Mrs Christies Büchern wiedergefunden hat?
Andrew Wilson baut seinen Kriminalfall sehr systematisch und strukturiert auf. Er bezieht bekannte Elemente aus Christies Leben in sein Buch ein und erzeugt damit eine Stimmung, die schon fast an ein Sachbuch oder noch eher an eine Biographie erinnert.
Agatha Christie, selbst gebeutelt durch ihre Seele, rutscht dabei als Hauptfigur immer tiefer in die Verstrickungen, die ihr zum einen ihr Erpresser und zum anderen die damalige Zeit auferlegt.
Viele Personen aus Agatha Christies Leben spielen auch in diesem Buch eine Rolle und die zeitliche Geschehen tritt von Zeit zu Zeit ebenfalls in den Vordergrund.
Ein ungewöhnlicher Kriminalroman mit einer realen Person, die selbst Autorin war, im Scheinwerfer des Interesses lässt den Leser in bester Hercule Poirot Manier mitraten, denn zum Schluss ist es wie immer nicht so wie es schien.

4 von 5 Schriftstellern

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Benoit Dahan „Im Kopf von Sherlock Holmes“

Habt ihr schon einmal erlebt, dass ein Buch maßlos eure Erwartungen übertroffen hat? Ihr wünscht euch so sehr, dass es gut ist und dann haltet ihr es in Händen und ihr seid einfach nur sprachlos? Glücklich dieses Buch in Händen zu halten, es zu entdecken, zu erforschen, es zu genießen?
Seitdem ich auf Instagram diesen Comic im Französischen entdeckt habe, habe ich mein Umfeld genervt, dass ich dieses Buch haben will. Ich wollte es einfach haben, der Erscheinungstermin konnte gar nicht früh genug kommen und als es erschien und ich es nicht bestellen konnte, war ich mehr als enttäuscht. Doch dann kam es und schon mit dem ersten Aufschlagen war ich gefangen. Gefangen „im Kopf von Sherlock Holmes“. Ich habe schon viele Comics gelesen, sehr viele, aber so etwas ist mir in den ganzen Jahren noch nicht untergekommen.
Sherlock Holmes ermittelt in London im Jahr 1890 in einem, sagen wir, Vermisstenfall. Ein Kollege von Dr. Watson kommt verwirrt in die Baker Street, völlig derangiert und erzählt den beiden von einer Straße auf der er des Nachts umhergestreift ist, ohne sich zu erinnern, wie er dort hingekommen ist. Ein mysteriöses Ticket findet sich bei ihm zuhause und lenkt Holmes und Watson auf die Spur eines besonderen Magiers. Es gilt schnell zu handeln, denn mindestens eine weitere Person scheint von den Ereignissen betroffen zu sein und Holmes setzt alles daran, das Rätsel um das Ticket zu lösen.
Selten habe ich solange gebraucht, um einen Comic zu lesen. Die Gestaltung, die Details, die Konzeption, alles grenzt an ein wunderschön gestaltetes Wimmelbild. Hier eine Anmerkung, dort ein Detail, hier ein „Verhaltenshinweis“, dort eine Karte. Neben der eigentlichen Geschichte gibt es soviel in dem Buch zu entdecken, dass man das Buch kaum umblättern oder gar zur Seite legen will. Bei soviel Liebe zu den einzelnen Seiten geht einem Buchliebhaber und Comicbegeisterten einfach nur das Herz auf. 
Wer die Verfilmungen gesehen hat, wird sogar einige Details hiervon im Comic wiederfinden und auch geschichtliche Aspekte kommen nicht zu kurz. Auf 97 Seiten hat der Autor eine eigene Sherlock Welt erschaffen, die sich einfügt in die klassische Literatur sowie in die moderne Filmwelt.
Jetzt muss ich aufhören, ich muss noch ein bißchen schwärmen…

6 von 5 Sherlock Holmes

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Mike Ashley (Hrsg.) „Sherlock Holmes und der Fluch von Addleton“ (Anthologie)

Mit der Erwähnung Watsons, er habe einen Depeschen-Koffer, der voll mit Fällen von Sherlock Holmes sei, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien, legitimierte Sir Arthur Conan Doyle quasi, dass seine berühmte literarische Figur bis heute in zahlreichen Büchern, Filmen und Serien neue Abenteuer erlebt. (Eingedenk zahlreicher Geschichten, die sich auf den Inhalt besagten Reisebegleiters beziehen, kann man vermuten, dass er die Ausmaße eines Schiffcontainers haben dürfte).

Unter der Herausgeberschaft von Mike Ashley fanden sich 1996 Autorinnen und Autoren zusammen, die beiläufige Erwähnungen im Werkkanon zu vollständigen Geschichten ausarbeiteten. Selbstverständlich allesamt auf Basis der Aufzeichnungen Watsons. Der berühmte Depeschenkoffer, so Ashley, war zwar leider nicht aufzufinden, aber die berücksichtigten Aufzeichnungen – so ist der Herausgeber sicher – können nur von dem Adlatus des Meisterdetektivs stammen ;).

Die Anthologie ist eine zwiespältige Angelegenheit. Eine wirklich schlechte Geschichte enthält der Sammelband nicht und man kann allen Beteiligten bescheinigen, ihr Handwerk zu verstehen und sich erfreulicherweise eng an Doyles Werken orientiert zu haben. Leider sind Highlights der Kategorie „A Scandal in Bohemia“ oder „The blue carbuncle“ Mangelware. Die Sammlung bietet gut erzählte Holmes-Geschichten für zwischendurch, die aber fast so schnell vergessen sind, wie sie gelesen wurden. Zu meinen Highlights zählen der Einstieg „Die lästige Angelegenheit mit dem Rembrandt“ (Derek Wilson), „Die bettlägerige Dame“ (Claire Griffen) und „Der bulgarische Diplomat“ (Zakaria Erzinclioglu). Es sind allesamt Geschichten, die den Geist des Werkkanons atmen, aber dank Besonderheiten ein wenig vom Gros jener Geschichten, in denen ein Klient mit typischen Problem in die Baker Street 221b stapft, abheben.

Als Schmankerl ordnete Mike Ashley die Geschichten in vier Hauptabschnitte – „Die frühen Jahre“, „Die 1880er“, „Die 1890er“ und „Die letzten Jahre“ – und spendiert im Anhang den Versuch einer Chronologie des Doyle-Kanons sowie eine Auflistung diverser Holmes-Pastiches.

Fazit: Gleichwohl die Sammlung nicht verärgert und manche Perle enthält, ist „Sherlock Holmes und der Fluch von Addleton“ eine durchschnittliche Angelegenheit geworden. Kann man lesen, aber man verpasst nichts, wenn man die Sammlung links liegen lässt. Jene, die über den Werkkanon hinaus an weiteren Abenteuern des Meisterdetektivs interessiert sind, sollten sich zunächst eher an Nicholas Meyer oder Anthony Horowitz halten, die „Mutigeren“ an Laurie R. King oder Christian Endres.

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Agatha Christie „Mord in Mesopotamien“

Der Archäologe Dr. Leidner leitet eine Ausgrabungsstätte im Irak. Seine vor Ort weilende Frau Louise wird von der Krankenschwester Amy Leatheran betreut, da Frau Leidner immer wieder geisterhafte Erscheinungen am Fenster ihres Schlafgemachs zu sehen glaubt und behauptet, Drohbriefe von ihrem verstorbenen, ersten Ehemann erhalten zu haben. Als Frau Leidner ermordet aufgefunden wird, nimmt der im Irak weilende Hercule Poirot die Ermittlungen auf.

Abwechslungsreich bleiben. Das schien in den 1930ern, Agatha Christies produktivster Phase, die Devise der Autorin zu sein. „Mord in Mesopotamien“ wird aus dem Blickwinkel von Schwester Amy erzählt. Agatha Christie wagte das Experiment, deren „Bericht“ absichtlich ‚schlechter‘ zu schreiben, als es ein Autor tun würde: Nebensächlichkeiten, Wiederholungen, Tell statt show usw. Natürlich handelt es sich dabei um gezielte Färbungen, die Agatha Christie wohl dosiert einsetzte. Durch den eingeschränkten Blickwinkel und die Ausführung gewinnt der Roman allerdings einen erfrischenden und realistischen Touch. Die unheimliche Atmosphäre der isolierten Ausgrabungsstätte trägt zum Gelingen des Romans bei. Das Mordpuzzle ist sorgfältig konstruiert und führt die Leserschaft auf viele falsche Fährten, doch – typisch Agatha Christie – liefert die Autorin alle Informationen, die nicht nur Hercule Poirot die richtige Lösung finden lassen könnten.

Fazit: Der unbekannteste Teil der ‚Orient-Trilogie‘ steht seinen beiden berühmteren Geschwistern „Mord im Orient-Express“ und „Tod auf dem Nil“ in kaum etwas nach.

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