Benjamin K. Scott „London Dark“

Jedes Buch beginnt mit einer Idee. Einer Idee des Autoren seine Geschichte den Lesern nahe zu bringen. Benjamin K. Scott äußert schon im Vorwort, dass er von der Welt von Arthur Conan Doyle, Edgar Allan Poe und H. P. Lovecraft beeinflusst ist. Mit „London Dark“ legt er einen Sammelband von acht Geschichten vor, die eine Hommage an die drei Autoren darstellen soll.
„London Dark“ beginnt im April 1829, als zur Sicherung der Bevölkerung von London Scotland Yard gegründet wird. Seltsame Dinge spielen sich im Königshaus ab, die Menschen werden wahnsinnig und es bleibt erstmal undurchsichtig, wie es dazu kam.
Graham Cluskey ist die Hauptfigur, die den Leser durch alle acht Geschichten begleitet. Als leitender Ermittlung der neuen Behörde muss er sich mit vielen Problemen befassen. Er muss Personal anwerben, der muss sich vom Militär abgrenzen und er muss sogar in der neuen frischen Behörde einen Maulwurf suchen. Körper und Geist werden hier immer wieder auf eine harte Probe gestellt und doch gibt Cluskey für die neue Behörde alles.
Man kann die acht Geschichten sind mehr oder weniger alle einzeln lesen, da die Geschichten zumeist in sich abgeschlossen sind.
Die Beeinflussung seiner Geschichten durch seine drei Idole, ist in jeder Geschichte zu spüren, wobei ich beim Lesen an diesem Crossover nicht wirklich Gefallen finde. Einzelne Passagen könnten direkt aus einer Sherlock Holmes Geschichte stammen, andere aber eine leichte Gruselwirkung und wieder andere gleichen den Geschichten von H. P. Lovecroft. Für mich findet das Crossover keine stimmige Mitte für sich selbst und so wirken manche Szenen einfach nur übertrieben und wieder andere nur wie eine Fotografie einer originalen Geschichte.
Ein wirklicher Pluspunkt an den Geschichten ist der Wunsch des Autoren dem Leser historische Fakten nahe zu bringen. Jede Geschichte baut reale historische Ereignisse ein, die den Leser zum weiteren Studium animieren können.
Unter dem Strich waren die Geschichten in Ordnung. Ich denke mit ein bißchen mehr Selbstvertrauen, hätte man mehr eine eigene Welt bauen können. Das hätte der Reihe mehr Rückgrat verliehen.

3 von 5 Nachtwächtern

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Sir Arthur Conan Doyle „Sherlock Holmes Kanon“

Den gesamten Kanon eines Autoren, oder zumindest den bekanntesten Teil, am Stück zu lesen, hat schon etwas von einer Herausforderung. Einzutauchen in eine ganz eigene Welt, verschachtelt und verschlungen, wie es die Zeit so mit sich brachte, zu wissen, dass die Zeit über die der Autor schreibt, seiner eigenen sehr nahe ist, dass er die Plätze kennt, welche er in seinen Geschichten benutzt, er die Dinge so gesehen hat, wie er sie später beschreibt. Die von mir gelesene Ausgabe umfasst knapp 2.100 Druckseiten. Seiten, auf denen eine Ikone aufersteht und die Literatur beeinflusst und das bis in die heutige Zeit.
Natürlich ist es schwer zu sagen, wie sich die Literatur ohne Sherlock Holmes entwickelt hätte, aber wenn man sich mit den Autoren beschäftigt, weiß man, dass Agatha Christie von Arthur Conan Doyle inspiriert war. Hätte sie ihre Bücher geschrieben, wenn es Sherlock Holmes nicht gegeben hätte?
Alle anderen Autoren, die auf dem Prinzip des Detektiv-Gehilfe-Gespann aufbauen, wären sie auf ihre Ideen gekommen, wenn sie nicht vorher Sherlock Holmes gelesen hätten?
Heutzutage wirken die Geschichten um Sherlock Holmes, Dr. John Watson und die wechselnden Polizisten seicht und nicht wirklich spannend, wenn man dagegen die blutigen Thriller oder anderweitigen Krimis liest, aber man bedenke, die Bücher erschienen vor über hundert Jahren. Probleme, die in den Büchern besprochen werden, waren real passiert und Arthur Conan Doyle war mit seiner Detektivarbeit der wirklichen Polizeiarbeit in Systematik und Struktur weit voraus. Nicht von ungefähr kommen die „Profis“ zu Sherlock Holmes, der seine eigenen Experimente, Studien betreibt und auch kurze Abhandlungen schreibt, weil es das alles einfach zu dem Zeitpunkt noch nicht gibt.
Also was bedeutet es, einen solchen Kanon zu lesen?
Sicherlich sind nicht alle Geschichten gleich gut, das steht hier auch nicht zur Debatte. Man merkt, dass Arthur Conan Doyle seinen Detektiv zwischendurch so richtig satt hatte und es kommt ja auch nicht von ungefähr, dass er mehrere Jahre mit dem Schreiben pausiert hat.
Doch der Kanon ist mehr als eine Aneinanderreihung von 4 Romanen und 56 Kurzgeschichten, der Roman spiegelt die viktorianische Zeit und gerade das englische Leben wider. Regeln, über Regeln, Etikette und ganz viel Contenance sind die Steckenpferde, womit Sherlock Holmes sein Geld verdient. Kompromittierende Fotos hier, ein Verfolger dort, gestohlene Diamanten, alles das darf nicht in die Zeitung oder auch erst recht nicht, dürfen Papiere in die Hände von fremdländischen Agenten kommen. Die Vielfalt der Probleme, der sich Sherlock Holmes gegenüber sieht, sind mannigfach und selbst ein vermeintlich kleines Problem, kann sich zu einem Superschurken erwachsen, damit Sherlock Holmes einen würdigen Gegner hat.
Mal lustig, mal wehmütig, werden in dem Kanon, aber auch nur die Erfolge des Detektives geschildert, die Misserfolge bleiben in dem bewussten Depeschenkoffer, bis sie ein neuer Autor für eine Pastiche ans Tageslicht befördert und so ist Sherlock Holmes bis heute hier. Unter uns.

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Stefan Lehnberg „Durch Nacht und Wind“

Dem geneigten Leser sey dieses criminalistische Werke empfohlen. Mein Freunde Hofrat Friedrich Schiller hat unsere Untersuchungen niedergeschrieben zu Ihrem Vergnügen. Die Öffentlichkeit meynt, dass ein Hochstapler namens Sherlock Holmes das erste Ermittlerduo stellte, doch welch ein Humbug. Freilich ward es mein Freunde Hofrat Friedrich Schiller und meine Person, Geheimrat von Goethe, die die ersten criminalistischen Untersuchungen nebst der Polizey ausführet.
Wir wurden eingeladen nach Schloss Belvedere, ward dort ein Ring des Fluches bezichtigt. Ein Weib sprach, es sey ein Fluch des Ringes Macht und der Großherzog von N. ihm Untertan. So ward…

Stoppp….. Halt Herr von und zu Goethe, jetzt ist mal gut, du sollst nicht noch einmal Schillers Geschichte erzählen. Auch wenn sie wirklich grandios ist.
Wie Goethe schon erwähnte, beginnt die Geschichte damit, dass ein Ring verflucht sein soll, doch das ist nur die Spitze des Eisberges. Denn nachdem der Ring begutachtet wurde, ist der Großherzog kurzerhand danach tot.
Goethe und Schiller haben alle Hände voll damit zu tun, zu entscheiden, wer von den Beteiligten der Blender ist, wer von der Situation profitiert und warum letztlich die ganze Familie in Aufregung ist, da der Großherzog wohl kein Kind von Traurigkeit gewesen sein soll.

Wer in diesem Buch eine veränderte Variante von einer „Sherlock Holmes“ oder „Hercule Poirot“ Geschichte erwartet, wird nicht enttäuscht. Auf knapp 240 Seiten wird der Leser auf alle erdenklichen Abenteuer mitgenommen und doch wird der historische Kontext fein berücksichtigt. 
So werden historische Personen mit in die Geschichte eingebunden, genauso wie gerade zu dem Zeitpunkt neue Entwicklungen.
Schiller (alias Dr. Watson oder Captain Hastings) und Goethe (alias Holmes oder Poirot) bilden dabei genauso ein Gespann, wie man es von Detektivgeschichten erwartet.
Dabei kommt auch der Witz in diesem Buch nicht zu kurz.
Was mich am meisten gefreut hat ist, dass das Buch sich auch in der Schreibweise an das damalige Deutsch anlehnt und man wirklich meint, Schiller hätte es gerade zu Ende geschrieben.

5 von 5 Ermittlerduos

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Ellery Queen „Sherlock Holmes und Jack the Ripper“

Sherlock Holmes Adaptionen gibt es wie Sand am Meer, aber wenn man die ursprünglichen Geschichten so sehr liebt, wie ich es tue, ist es schwer, eine Adaption zu finden, die mir gefällt.
Worum geht es in dieser Adaption aus der DuMont Kriminalbibliothek?
Ellery Queen, ja der Autor ist auch gleichzeitig die Hauptfigur in dem Buch, erhält über Umwege eine unbekannte Sherlock Holmes Geschichte. Natürlich ist er selbst als Autor unter hohem Zeitdruck, denn er soll sein eigenes Buch dringend fertigstellen.
Als Fan von Detektivgeschichten und im Speziellen von Sherlock Holmes Geschichten, kann er der Versuchung nicht widerstehen und schlägt sich um wahrsten Sinne des Wortes, die Nächte um die Ohren, um diese Geschichte zu lesen.
Die Geschichte erzählt den Fall von Sherlock Holmes, den die Literaturwelt immer erwartet hat. Sherlock Holmes jagt Jack the Ripper. In den dunklen Gassen von Whitechapel, im Nebel von London, in der Londoner Gesellschaft. Sherlock Holmes schreckt vor nichts zurück um dem Schrecken ein Ende zu bereiten.
Mehr sei hier aber nicht verraten. 😉
Auf knapp 200 Seiten ersteht das viktorianische London und sein größter Detektiv läuft zu einer Höchstform auf. Sprachlich und inhaltlich im Kanon von Arthur Conan Doyle schafft es Ellery Queen eine Erzählung vorzulegen, die sich in die bestehenden Geschichten einpasst und zum anderen einen eigenen Stil vermittelt, da immer wieder in die damalige Gegenwart und zu Ellery Queens Schreibproblemen geblendet wird.
Ein toller Fall, eine gute Umsetzung. Ich bin begeistert.

5 von 5 Sherlocks

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Jessica Müller „Tod hinter der Maske“

Um einer arrangierten Hochzeit zu entgehen, flieht die junge Adlige Charlotte von Winterberg aus Berlin und kommt bei Fleur Fatale unter, die eine Einrichtung für ehemalige Freudenmädchen und gefallene Frauen führt. Bei einem Maskenball der High Society, auf der Charlotte unter ihrem neuen Namen Violet Spenden sammeln soll, wird der streitlustige Sir William durch einen vergifteten Cocktail ermordet. Als sich herausstellt, dass er sein Vermögen der Einrichtung von Fleur vermacht, liegt der Hauptverdacht auf Charlottes neuer Freundin. Sowohl Charlotte als auch der ermittelnde Scotland Yard Beamte Basil Stockworth zweifeln jedoch an Fleurs Schuld. Der Kriminalbeamte, dem Charlottes wahre Identität bekannt ist, hat Sir Williams Angehörige in Verdacht und schlägt Charlotte vor, unerkannt als Gouvernante zu ermitteln. Schon bald zeigt sich, dass es in Sir Williams Familie an Personen, die ein Interesse an dessen Ableben hatten, nicht mangelt. Doch ist es einer von ihnen gewesen? 

Klassischer könnte es nicht sein: Ein Giftmord und jede Menge nahestehende Personen mit einem Motiv. Die handwerkliche Qualität des Romans ist bemerkenswert. Jessica Müller versteht es nicht nur, ihre Geschichte in eine elegante Sprache zu kleiden, sondern vermeidet jegliche Länge. Bis zum Schluss bleibt der Roman spannend. Feine Gesellschaftskritik, die zarte Romanze zwischen Basil und Charlotte sowie eine gelungene Zeichnung des viktorianischen Zeitalters tragen dazu bei, die Seiten nur so dahinfliegen zu lassen. 

Ein kleiner und einziger Wermutstropfen des Romans ist die Auflösung des Falles. Zwar gibt es in der ersten Hälfte einen gut platzierten Hinweis – und viele geschickte Ablenkungen -, allerdings bedarf es zum Schluss dann doch dem Zufall bzw. ein plötzlich gegebener Hinweis. Hier hätte ich mir etwas mehr Ermittlung gewünscht.

Fazit: „Tod hinter der Maske“ ist ein sehr ansprechend und kurzweilig geschriebener Auftakt einer Krimi-Reihe, die kürzlich mit „Tod in der Glaskugel“ weitergeführt wurde.  

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