Traian Suttles „Best of Sixty“

Welches die besten Geschichten des 4 Romane und 56 Kurzgeschichten umfassenden Sherlock-Holmes-Werkkanon sind, wurde in sicher mehr als 60 Umfragen ermittelt. Traian Suttles Sekundärwerk schickt sich nun erneut an, die besten – genauer gesagt: das beste Viertel – herauszudestillieren.

Nach dem Lesen war ich mir etwas unsicher, was ich von diesem Buch halten und wie ich es bewerten soll. Ich habe mich daher zu einem Pro/Contra Vergleich entschieden.

Suttles Werk richtet sich nicht als Entscheidungsempfehlung an neue Leser, die bislang wenige Geschichten oder lediglich Verfilmungen kennen, denn dafür werden die Geschichten zu detailliert betrachtet. (Neudeutsch: Komplett gespoilert). Das Sekundärwerk richtet sich eindeutig an Sherlockianer bzw. sattelfeste Kenner von Doyles Kanon. Grundlegend müssen sich also potentielle Leser die Frage stellen, ob sie ein Buch interessiert, indem analysiert wird, warum eine Geschichte besonders beliebt ist bzw. nach Ansicht Suttles zu wenig Aufmerksamkeit erhält.

Es sei vorweggenommen, dass die Auswahl sich nur etwa hälftig mit meiner gedanklichen Liste besonders empfehlenswerter Holmes-Geschichten deckt. (Die in der Einführung erwähnten Ergebnisse von Leser-Umfragen der Baker Street Irregulars kann ich eher mitgehen). Da das Buch bereits im Klappentext ankündigt, auch Geschichten betrachten zu wollen, die weniger Beachtung fanden, habe ich jedoch erwartet, nicht nur „A Scandal in Bohemia“ vorzufinden.

Was mir an „Best of Sixty“ besonders gefällt:

Suttles ist ein versierter Kenner des Werkkanons und des Holmes-Kosmos. Das macht sich insbesondere dann bemerkbar, wenn in den Analysen Querverweise gezogen, Experten und Doyle zitiert werden oder auf historische Gegebenheiten zur Entstehung des Werks Bezug genommen wird. Suttles gestaltet seine Analysen nicht nur gehaltvoll, sondern größtenteils auch sehr unterhaltsam.

Was mir an „Best of Sixty“ weniger gefallen hat:

Bei analytischen Werken ist es unumgänglich, bei Inhaltsangaben in die Tiefe zu gehen, doch in manchen Kapiteln ist es länger, als nötig. Doch was mir an dem gesamten Werk weniger schmeckt, ist der Aufwertungsversuch der „Underdogs“. Suttles gelingt es, deren Stärken hervorzuheben, doch eine „solide“ oder „durchschnittliche“ Geschichte ist eben nicht eine „herausragende“ Geschichte – schon gar nicht „eine der besten“. Es scheint, Suttles wollte mit dieser eigenwilligen Zusammenstellung eher rechtfertigen, ein Sachbuch auf den Markt zu bringen. Immerhin: Seine Liste stellt damit unter Beweis, dass Sir Arthur Conan Doyle durchaus um Abwechslung bemüht war.

Zusammengefasst: Suttles Werk ist aufgrund der Sachkenntnis und der gefälligen Schreibe des Autors lesenswert. Für Sherlockianer einen Blick wert – sei es, um manche Geschichten unter einem neuen Blickwinkel zu betrachten oder auch nur, um Suttles zu widersprechen.

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