Mike Ashley (Hrsg.) „Sherlock Holmes und der Fluch von Addleton“ (Anthologie)

Mit der Erwähnung Watsons, er habe einen Depeschen-Koffer, der voll mit Fällen von Sherlock Holmes sei, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien, legitimierte Sir Arthur Conan Doyle quasi, dass seine berühmte literarische Figur bis heute in zahlreichen Büchern, Filmen und Serien neue Abenteuer erlebt. (Eingedenk zahlreicher Geschichten, die sich auf den Inhalt besagten Reisebegleiters beziehen, kann man vermuten, dass er die Ausmaße eines Schiffcontainers haben dürfte).

Unter der Herausgeberschaft von Mike Ashley fanden sich 1996 Autorinnen und Autoren zusammen, die beiläufige Erwähnungen im Werkkanon zu vollständigen Geschichten ausarbeiteten. Selbstverständlich allesamt auf Basis der Aufzeichnungen Watsons. Der berühmte Depeschenkoffer, so Ashley, war zwar leider nicht aufzufinden, aber die berücksichtigten Aufzeichnungen – so ist der Herausgeber sicher – können nur von dem Adlatus des Meisterdetektivs stammen ;).

Die Anthologie ist eine zwiespältige Angelegenheit. Eine wirklich schlechte Geschichte enthält der Sammelband nicht und man kann allen Beteiligten bescheinigen, ihr Handwerk zu verstehen und sich erfreulicherweise eng an Doyles Werken orientiert zu haben. Leider sind Highlights der Kategorie „A Scandal in Bohemia“ oder „The blue carbuncle“ Mangelware. Die Sammlung bietet gut erzählte Holmes-Geschichten für zwischendurch, die aber fast so schnell vergessen sind, wie sie gelesen wurden. Zu meinen Highlights zählen der Einstieg „Die lästige Angelegenheit mit dem Rembrandt“ (Derek Wilson), „Die bettlägerige Dame“ (Claire Griffen) und „Der bulgarische Diplomat“ (Zakaria Erzinclioglu). Es sind allesamt Geschichten, die den Geist des Werkkanons atmen, aber dank Besonderheiten ein wenig vom Gros jener Geschichten, in denen ein Klient mit typischen Problem in die Baker Street 221b stapft, abheben.

Als Schmankerl ordnete Mike Ashley die Geschichten in vier Hauptabschnitte – „Die frühen Jahre“, „Die 1880er“, „Die 1890er“ und „Die letzten Jahre“ – und spendiert im Anhang den Versuch einer Chronologie des Doyle-Kanons sowie eine Auflistung diverser Holmes-Pastiches.

Fazit: Gleichwohl die Sammlung nicht verärgert und manche Perle enthält, ist „Sherlock Holmes und der Fluch von Addleton“ eine durchschnittliche Angelegenheit geworden. Kann man lesen, aber man verpasst nichts, wenn man die Sammlung links liegen lässt. Jene, die über den Werkkanon hinaus an weiteren Abenteuern des Meisterdetektivs interessiert sind, sollten sich zunächst eher an Nicholas Meyer oder Anthony Horowitz halten, die „Mutigeren“ an Laurie R. King oder Christian Endres.

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