Die Bedeutung von Charles Dickens für die Literatur zu erläutern, hieße Eulen nach Athen zu tragen. „Oliver Twist“, „David Copperfield“, „Große Erwartungen“, „Eine Weihnachtsgeschichte“ und viele andere begeistern seit Generationen und werden bis heute auch regelmäßig mehr oder weniger werkgetreu verfilmt. Abseits größerer Geschichten hat er auch eine Reihe Kurzgeschichten geschrieben, darunter einen Zyklus um die Geheimpolizei sowie weitere Kriminalgeschichten, die in diesem schmalen Büchlein versammelt sind. Gerade für diejenigen, die Dickens mehr dem Namen nach kennen, eine gute Gelegenheit, in das Werk des Briten hineinzuschnuppern.
Bereits die erste Geschichte, „Der Bettelbrief-Schreiber“, zeigt bestens, was Dickens auszeichnet: Ein Kleinod, dem meisterhaft der Wechsel von einem leichtfüßigen, humoristischen Stück zu bissiger Gesellschaftskritik gelingt. Gerade diese Dualität aus feinem Humor und dem Anprangern sozialer Missstände zieht sich als roter Faden durch sein Gesamtwerk und somit auch durch den nachfolgenden Zyklus über die Geheimpolizei. Die Plots der Geschichten selbst muten heutzutage wenig spektakulär und etwas altbacken an, gewinnen aber gerade durch die Mischung aus Leichtfüßigkeit und Gesellschaftskritik. Ein besonderer Reiz für die heutige Leserschaft ergibt sich auch daraus, dass Dickens als scharfer Beobachter seiner Zeit, einen weit weniger romantisch gefärbten Blick auf das viktorianische Zeitalter zulässt, als es bei seinen Zeitgenossen und besonders den Verfassern dieser Tage enstehenden „viktorianischen Krimis“ der Fall ist. Dickens blumiger, ausschweifender Erzählstil lässt zudem bedauern, dass modernen Autoren Schreibregeln wie „show don’t tell“,das konsequente Eliminieren von Adverbien, schlanker Satzbau usw. nahe gelegt wird, denn gekonnt eingesetzt, vermögen Geschichten auch in dieser Form zu begeistern.
Die abgebildete Sammlung ist als Taschenbuch nur noch antiquarisch erhältlich, doch die Geschichten sind in mehren Sammelbänden enthalten und der E-Book-Verlag „Null Papier“ bietet „Dickens Detektivgeschichten“ für schmale 0,99 € an.