London, 1877: Die Leiche von Madame Yin, der Inhaberin eines Freudenhauses, wird mit einem Stofffetzen und einer Haarlocke im Mund aus der Themse gefischt. Einen Monat zuvor wurde die Leiche Estelle Wiggins, eine junge Frau aus gutem Hause, auf dieselbe Art aufgefunden. Beide Opfer haben scheinbar keine Verbindung zueinander, doch Scotland Yard Inspektor Robert Edwards geht davon aus, dass beide Frauen von demselben Täter ermordet wurden. Gleichzeitig wird die amerikanische Privatdetektivin Celeste Summersteen vordergründig damit beauftragt, die junge Dame Dorothea nach London zu bringen, hauptsächlich jedoch den Mord an deren guter Freundin Estelle Wiggins aufzuklären.
„Das Geheimnis der Madame Yin“ von Nathan Winters ist ein Kleinod. Mit einem raffinierten, weitestgehend unblutigen Krimi der alten Schule, gelingt es dem Autor, die Spannung bis zum Schluss aufrecht zu halten. Nathan Winters’ gefälliger Erzählstil, der mit einem angenehmen Humor durchsetzt ist, trägt dazu bei, die Seiten dahinfliegen zu lassen. Ein großer Pluspunkt ist das Geerdete des Romans. Neben einer gelungenen Zeichnung des viktorianischen Londons spiegelt sich das auch in den Charakteren wider. Mag Celeste Summersteen, ähnlich wie Sherlock Holmes, in allem etwas überdurchschnittlich sein, so hat es Nathan Winters dankenswerterweise vermieden, sie zu exzentrisch zu gestalten. Stattdessen darf sich der Leser auf amüsante Dialogwechsel mit einem ungleichen Ermittler-Duo freuen.
Fazit: Ein spannender, mitreißend geschriebener Krimi mit gut gezeichneten Charakteren. Uneingeschränkte Leseempfehlung für alle Liebhaber viktorianischer Geschichten. Ich freue mich schon auf ein Wiederlesen mit Summersteen und Edwards in ihrem zweiten Fall „Der Zug aus Enfield“.